Wahlen in Kriegszeiten

Wahlen in Kriegszeiten

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Redactie 18 April 2018 736

Durch den Krieg gab es 1915 keine Gemeinderatswahlen. Die amtierenden Gemeinderäte blieben einfach „an der Macht“. Obgleich das eine irreführende Formulierung ist. Der Bürgermeister und die Beigeordneten blieben zwar im Amt, aber sie unterstanden den deutschen Besatzern. Sie konnten allenfalls versuchen, ihre Bürgerinnen und Bürger gegen die deutschen Verordnungen zu schützen, indem sie nicht gar zu streng auf deren Befolgung achteten. Wer darin zu weit ging, lud ein Risiko auf sich. Die Deutschen ersetzten oder deportierten Bürgermeister oder Gemeinderäte, die nicht genügend mit ihnen zusammenarbeiteten. So wurde der Bürgermeister von Baasrode entlassen und drei Monate lang eingesperrt, weil er Bürger der Gemeinde davon unterrichtet hatte, dass die Deutschen eine Treibjagd zur Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften planten.
Gab es während des Krieges dennoch politische Wahlen? Ja. Anfang März 1918 fanden Volksbefragungen für den „Raad van Vlaanderen“ statt. Dieses umstrittene, aber von den Deutschen zugelassene Organ hatte zum Ziel, die flämische Unabhängigkeit durch Zusammenarbeit mit den deutschen Besatzern zu erreichen. Der Rat sah sich als Vorläufer eines künftigen flämischen Parlaments und einer flämischen Regierung, hatte jedoch keineswegs den Ehrgeiz, sämtliche Flamen zu vertreten. Entsprechend undemokratisch verliefen auch die „Wahlen“. Um seine Stimme abgeben zu dürfen, musste man vorab schriftlich erklären, den so genannten Aktivismus zu befürworten. Nur wer für eine flämische Unabhängigkeit war und zudem bereit, dafür mit der Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten, konnte über die Sitzverteilung in der „Flämischen Regierung“ mitbestimmen.
Foto: Die „Kommission der Bevollmächtigten“ des Raad van Vlaanderen betrachtete sich als Vorläuferin einer flämischen Regierung.