Ein Bier aus Apfelkraut und Taubenfutter

Ein Bier aus Apfelkraut und Taubenfutter

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Redactie 07 novembre 2017 767

Die meisten Wirtschaftszweige in Belgien hatten während des Ersten Weltkriegs schwer zu leiden. Das galt jedoch nicht für die Brauereien im unbesetzten Belgien hinter der Front. Deren Geschäfte brummten vielmehr. Die Bevölkerung in dieser Region war während der Kriegsjahre nämlich explodiert. Da waren nicht nur die Soldaten aus den verschiedensten Ländern, die hinter der Front verblieben, sondern auch viele Tausende belgische Flüchtlinge, die hier zeitweilig Unterschlupf gefunden hatten. Sie sorgten für eine hohe Nachfrage beim Bier, der die Brauereien kaum entsprechen konnten.
Trotz der begrenzten Kapazität mussten die Brauer ihre Infrastruktur dennoch manchmal vorübergehend für andere Zwecke abtreten. Die Gärbottiche waren nämlich ausgesprochen gut als Waschzuber und für die Entlausung der Soldaten geeignet. In den Tagen danach wurde dann wieder ganz normal Bier gebraut! Nur die zu nah an der Front gelegenen Brauereien waren tatsächlich beeinträchtigt. Sie liefen Gefahr, bei Kampfhandlungen unter Beschuss zu geraten.
Ganz anders dagegen ging es im besetzten Belgien zu, wo die Brauereien den Folgen der Besatzung ausgesetzt waren. Die Deutschen beschlagnahmten die verschiedensten Güter für ihre Kriegsanstrengungen, darunter Pferde, die für Brauer für die Anfuhr von Rohstoffen und die Auslieferung des Bieres sehr wichtig waren. Noch schlimmer wurde die Lage ab 1916, als die Deutschen zunehmend Interesse an den kupfernen Braukesseln zeigten. Kupfer war ein Metall, das für Granathülsen gebraucht wurde. Die Deutschen demontierten darum systematisch einen Großteil der Brauanlagen.
Auch wer das Glück hatte, weiter brauen zu dürfen, sah sich mit Schwierigkeiten konfrontiert. So herrschte Mangel an den meisten Ingredienzien, nicht zuletzt an Gerste, dem wichtigsten Rohstoff beim Bier. Wer brauen wollte, musste kreativ sein. Ein Rezept für „Kriegsbier“ zählt verschiedene Zutaten auf, die normalerweise nichts im Bier zu suchen haben. Das Bier, das man aufgetischt bekam, konnte nämlich unter anderem Apfelkraut, Mais, Dinkel und sogar die sonst als Taubenfutter gedachten kleinen Ackerbohnen enthalten. Guten Appetit!